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Die Edgeworth-Box5.1.1.1 Kontraktkurve und KernNutzenmöglichkeitskurve im Punktsinn
enn man alle Tangentialpunkte wie K in der P zugeordneten Linse markiert, erhält man eine monoton steigende Kurve vom einen zum anderen Linsenrand. Sie wird Kern genannt und ist in Abbildung 1 hervorgehoben eingezeichnet.
Hier, d.h. im Bereich der positiven Theorie, ist allerdings noch keine Aussage darüber möglich, welche der pareto-optimalen Situationen auf dem Kern letztendlich angestrebt werden soll. Nur eines ist sicher: einmal auf dem Kern angekommen, existiert keine weitere Umverteilungsmöglichkeit, die die Zustimmung von Konsument und Konsumentin fände.
Verbindet man nicht nur die Tangentialpunkte innerhalb der Ausgangslinse, sondern alle Tangentialpunkte in der Edgeworth-Box, erhält man die sogenannte Kontraktkurve. Synonyme für diesen Begriff sind Konflikt-, Effizienz- und Pareto-Kurve. Während die beiden ersten Bezeichnungen Ihnen an dieser Stelle von der Wortwahl her noch unklar sein dürften, so sollten die beiden letzten klar sein.
Aufgrund der getroffenen Annahmen (insbesondere Nichtsättigung und Vollständigkeit) beginnt die Kontraktkurve im Ursprung des Konsumenten und endet im Ursprung der Konsumentin. Wie ihr Bestandteil Kern muss sie in der gesamten Edgeworth-Box monoton steigen. Würde sie nämlich - auch nur in Teilabschnitten - einen fallenden Verlauf zeigen, dann wäre ihre Konstruktion aus Tangentialpunkten nur möglich, wenn sich die individuellen Indifferenzkurven mindestens eines Individuum schnitten. Dies aber widerspräche der Transitivitätsannahme über die Präferenzordnungen.
Wir können an dieser Stelle eine wichtige Bedingung für die optimale Allokation der Güter unter den Konsumenten festhalten. Da sich auf der Kontraktkurve je zwei Indifferenzkurven tangieren, besitzen sie dieselben Steigungen. Die Steigung einer Indifferenzkuve kennen wir als Grenzrate der Substitution. Also gilt (analytische Herleitung):
Jetzt kennen Sie die Edgeworth-Box und ihre Bestandteile. Sie haben sie hier jedoch anhand einer eher unüblichen Vorgehensweise kennengelernt. Üblicherweise orientieren sich Lehrbuchdarstellungen der Edgeworth-Box am Beispiel des freiwilligen Tausches zwischen zwei Individuen, wohingegen hier ein übergeordnete Instanz durch dirigistische Umverteilungsanordnungen eine pareto-optimale gleichgewichtige Situation K herbeigeführt hat. Das Übliche lässt sich nun mit wenigen Worten nachholen. Festzuhalten ist, dass die Edgeworth-Box mit freiem Tausch und Marktwirtschaft nicht mehr und nicht weniger zu tun hat als mit angeordnetem Tausch und Planwirtschaft.
Betrachten wir noch einmal den Punkt P in Abbildung 1 und nehmen an, der Konsument und die Konsumentin seien nach einem Schiffbruch mit nichts als ihrem persönlichen Besitz an Bier und Zigaretten auf einer unbewohnten Insel gestrandet. Hier existiert kein Staat, der umverteilen kann, und trotzdem bleiben den beiden Akteuren noch eine ganze Reihe von Diskriminierungsmöglichkeiten oder -mechanismen, die die Zuteilung der Konsumgüter regeln. Ein Beispiel für einen solchen Mechanismus wäre Raub und Mord. Aber hier sei angenommen, beide achten das Eigentum des anderen und versuchen, trotzdem das Beste aus der Situation zu machen.
Zwei Möglichkeiten lassen sich unterscheiden:
- die Individuen kennen die Präferenzen des anderen (vollständige Information),
- die Individuen kennen die Präferenzen des anderen nicht (unvollständige Information).
Betrachten wir zunächst den Fall vollständiger Information. Der Konsument und die Konsumentin wären dann in der Lage, eine Edgeworth-Box mit den Fingern in den Sand zu malen und den Kern zu bestimmen. Dem Eigennutzprinzip folgend wäre der Konsument daran interessiert, den oberen rechten Endpunkt (K'') zu erreichen. Er wüsste, die Konsumentin würde einer noch besseren Lösung aus seiner Sicht in keinem Falle zustimmen. Analog wäre die Konsumentin am unteren linken Endpunkt des Kerns (K') als für sie bei der gegebenen "Einkommens-", d. h. Güterverteilung, günstigsten Ergebnis interessiert. Beide wüssten von der Ineffizienz einer Lösung des Tauschproblems, die nicht auf dem Kern liegt. Da es sich bei ihnen um Individuen handelt, die Gefühle wie Neid und Hass - oder auch interdependente Nutzenfunktionen - nicht kennen, wird eine Lösung auf dem Kern zustande kommen.
Es ist ohne den Einsatz einer weiteren Theorie (insbesondere wäre hier an spieltheoretische Überlegungen zu denken) nicht möglich, die Lösung weiter als auf den Kern einzugrenzen. Jeder Punkt auf ihm ist als Ergebnis denkbar. Die beiden Endpunkte werden auch Ausbeutungspunkte genannt, da hier jeweils einer der Tauschpartner ohne Nutzengewinn bleibt. In jedem Fall werden Zigaretten und Bier getauscht in einem Verhältnis, das durch die Ausbeutungspunkte begrenzt wird. Das Preisverhältnis ist jedoch a priori unbestimmt. Es handelt sich um die Marktform des bilateralen Monopols. Sowohl Monopolist als auch Monopsonist können mit geeignet erscheinenden Strategien Einfluss auf den Preis zu nehmen suchen.
Im zweiten Fall der unvollständigen Information ändert sich die Analyse allein dahingehend, dass zusätzlich Überlegungen über den (unendlich schnell) ablaufenden Prozess des Tauschens und Auffindens des Kerns angestellt werden müssen. Sei es, dass unseren Konsumenten der Walrasianische Auktionator (s. Stabilität) erscheint und munter Tauschverhältnisse ausruft, bis beide zustimmen, oder sei es, dass beide in einem Edgeworth'schen Recontracting die Linse sukzessive bis zum Punkt auf dem Kern verkleinern, die Ergebnisse ändern sich im Vergleich zu denen bei vollständiger Information keinen Deut.