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Fragestellung1.1.2 Grundlegende AnnahmenDer Markt
Mit der Festlegung von Annahmen wird vor allem das Ziel verfolgt, die theoretischen Überlegungen möglichst einfach zu halten. Mit mehr und strengeren Annahmen kann man es sich zwar einerseits immer einfacher machen, andererseits entfernt sich die Darstellung naturgemäß mehr und mehr von der Realität und wird zunehmend abstrakter. Aus diesem Dilemma gibt es wohl keinen Ausweg. Was bleibt, ist die Suche nach einem gesunden Mittelweg (s. Kasten).
Die Suche nach dem Mittelweg ist übrigens ein typisches mikroökonomisches Problem: auf der einen Seite stehen die Kosten in Form von Realitätsferne, auf der anderen steht der Nutzen der Vereinfachung. Ein größeres Maß an Vereinfachung ist eben leider mit größerer Realitätsferne verbunden. Auch Vereinfachung ist ein knappes Gut. Da sich die individuellen Bewertungen von Schwierigkeitsgrad und Realitätsferne ganz selbstverständlich unterscheiden, werden einige den hier gewählten Weg zu realitätsfern finden, andere zu schwierig. Aber vielleicht verbleiben ja ein paar, für die es genau der richtige Mix ist.
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Solange nichts anderes festgelegt
wird, sollen die folgenden Annahmen gültig sein, ohne dass
sie jedes Mal neu erwähnt
werden müssen:
- Raum: Es gibt keine Entfernung.
- Zeit: Zeit spielt keine Rolle.
- Gut: Das jeweils betrachtete Gut ist sachlich immer gleich.
- Personen: Es gibt keine Vorlieben oder Abneigungen.
- Information: Die Akteure kennen alle relevanten Informationen
Keine Frage, mit diesen grundsätzlichen Annahmen entfernen wir uns weit von der Realität, denn dort gibt es Entfernungen, Zeit spielt eine ganz wichtige Rolle, Güter gibt es in großer Vielfalt, Menschen neigen anderen zu oder lehnen sie ab und oft fehlen wichtige Informationen.
Vollkommene Märkte werden oft mit Märkten verwechselt, auf denen Konkurrenz herrscht. Aber auch Märkte mit wenigen (Oligopole) oder gar nur einem Anbieter (Monopole) können ohne Weiteres vollkommene Märkte sein. Umgekehrt müssen Märkte mit vollständiger Konkurrenz nicht notwendig vollkommen sein.
In der Realität können die restriktiven Annahmen offensichtlich nicht zutreffen. Jevons Gesetz dient also nicht dazu, Realität zu beschreiben, sondern im Gegenteil dazu, von der Realität zu abstrahieren, um uns die Analyse zu vereinfachen. Umgekehrt erklärt es uns, warum es in der Realität überhaupt Preisunterschiede gibt. Es nennt alle fünf möglichen Gründe. Sie werden auch bei angestrengtem Nachdenken keine weiteren finden können.
Jevons Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise
Beispiel 1: Preisunterschiede an Tankstellen
Machen wir uns das Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise klar, indem wir überlegen, warum wir Preisunterschiede für Vergaserkraftstoff auf den Anzeigetafeln der Tankstellen beobachten können. Eine Erklärung könnte offensichtlich sein, dass zwei Tankstellen so weit voneinander entfernt liegen, dass es sich für einen geringen Preisunterschied nicht lohnen würde, zum Tanken die weiter entfernte anzusteuern. Ebenso offensichtlich ist, dass heute andere Kraftstoffpreise zu zahlen sind als vor einer Woche oder vor einem Jahr, denn vieles, was einen Einfluss auf die Preise hat, kann sich mittlerweile geändert haben.
Ebenfalls einleuchtend ist, dass unterschiedliche Kraftstoffqualitäten unterschiedliche Preise haben werden. Allerdings müssen wir uns hier schon fragen, wo "unterschiedliche Qualität" anfängt. Unproblematisch ist die Unterscheidung zwischen Super- und Normalbenzin. Aber hat Kraftstoff an einer Markentankstelle eine andere Qualität als Kraftstoff an einer freien Tankstelle? Doch auch diese Frage stellt uns nicht vor ernsthafte Probleme, denn wir unterstellen ja mit der fünften Annahme perfekte Information. Das bedeutet, die Konsumenten wissen, ob es Qualitätsunterschiede gibt. Und sollte das nicht der Fall sein, dann kann auch hier keine Ursache für Preisunterschiede zu finden sein.
Persönliche Vorlieben können Preisunterschiede ohne Weiteres begründen. So mögen Autofahrer eine Präferenz für bestimmte Marken oder eine einzelne Tankstelle haben und deswegen bereit sein, etwas höhere Preise in Kauf zu nehmen. Auch aus Vorurteilen oder Abneigungen kann es zu Preisunterschieden kommen, vor allem wenn sie systematisch auftreten. So tanken vielleicht manche lieber etwas teurer, als eine Tankstelle anzufahren, bei der ein Ausländer bedient. Sie lassen sich ihr Vorurteil etwas kosten.
Schließlich können Preisunterschiede natürlich auch wegen unvollkommener Information (fehlende Markttransparenz) Bestand haben. Kein Tankwart wird ein Schild aufhängen, auf dem er hinweist, dass der Sprit bei der Konkurrenz um die Ecke zwei Cent billiger zu haben ist.
Aber angenommen, alle Kriterien sind erfüllt: 1. Die Tankstellen liegen dicht bei dicht. 2. Wir betrachteten eine kurze Zeitspanne. 3. Alle bieten die gleiche Qualität. 4. Zwischen und unter den Tankwarten und Autofahrern gibt es keine persönlichen Zu- oder Abneigungen (kurz persönliche Präferenzen) und 5. alle sind hinreichend informiert, dann wird man keinen Grund finden, warum es doch noch zu unterschiedlichen Kraftstoffpreisen kommen könnte.
Beispiel 2: Preisunterschiede für Ketten und Haarschnitte
Frau Stullig bleibt beim Schaufensterbummel entzückt vor einem Juwelierladen stehen. Eine goldene Kette hat es ihr ganz besonders angetan. Da der Schmuck nicht ausgezeichnet ist, betritt sie den Laden. "Wenn der Juwelier mir einen Preis unter 500 Euro nennt, dann nehme ich sie gleich mit", denkt sie sich.
Frau Stullig: "Was kostet denn bitte die goldene Kette im Schaufenster?"
Der Juwelier: "Ein sehr schönes Stück. 349 für Herren, 399 für Damen."
Frau Stullig ist ganz verwirrt. Für 399 würde sie die Kette ja eigentlich kaufen wollen. Aber hat sie das wirklich richtig verstanden? 50 Euro mehr bezahlen, nur weil sie eine Frau ist?
Der Juwelier: "Ja, ja, gnä' Frau, das hat schon seine Richtigkeit".
Gerade in diesem Moment betritt Frau Stulligs Schwiegersohn Werner das Geschäft.
Frau Stullig (juchzend): "Werner, dich schickt der Himmel."
Nun, den Fortgang der Geschichte können Sie sich denken. Es kann wohl - unter normalen Umständen jedenfalls - ausgeschlossen werden, dass Juweliere Schmuckstücke an Frauen systematisch teurer als an Männer verkaufen (können).
Jetzt ersetzen Sie bitte in Gedanken den Juwelier durch einen Friseur. Frau Stullig erkundigt sich nach den Preisen für einen Haarschnitt.
Der Friseur: "20 Euro für Männer, 30 Euro für Damen."
Ein Arbitragegeschäft wie beim Juwelier ist offensichtlich unmöglich, da Männer ihre Haarschnitte nun mal nicht an Frauen weiterveräußern können.
Das könnte zu der Vermutung führen, dass Preisunterschiede bei Dienstleistungen eher zu beobachten sind als bei Sachgütern. Später werden wir untersuchen, wie Anbieter, die solche Preisunterschiede durchsetzen können, dies zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen.
Außerdem werden wir regelmäßig annehmen, dass Güter Teilbarkeitsannahme sind. Wir wollen uns nicht daran stören, wenn wir ausrechnen, für einen Konsumenten sei es optimal, sich 1,25 Kühltruhen zu kaufen. Dann interpretieren wir das halt so, dass er sich eine etwas größere Kühltruhe kauft. Und würden wir ausrechnen, dass eine Arbeitskraft gerne 33 Stunden pro Woche arbeiten möchte, dann soll es uns auch nicht groß kümmern, wenn übliche Arbeitszeiten bei 38 Stunden pro Woche oder wo auch immer liegen.
Schließlich werden wir zunächst davon ausgehen, dass einzelne Akteure keinen Einfluss auf Marktpreise haben (Konkurrenzannahme). Damit ist gemeint, dass wir Märkte betrachten, auf denen nicht einzelne Anbieter oder Nachfrager über so viel "Marktmacht" verfügen, dass sie den Preis beeinflussen können, zu dem die Geschäfte abgeschlossen werden. Damit ist nicht gemeint, dass nicht ein einzelner Anbieter festsetzen kann, zu welchem Preis er ein Gut verkaufen möchte. Aber es ist fraglich, ob er sein Gut an den Mann bringen kann, wenn er einen zu hohen Angebotspreis wählt. Umgekehrt kann natürlich auch jeder Nachfrager einen Preis festlegen, den er höchstens zu zahlen bereit wäre. Ist die Zahlungsbereitschaft aber gering, dann wird es fraglich sein, ob er das Gut auch erhält.
Aus der Sicht eines einzelnen Konsumenten stellen wir uns die Märkte wie folgt vor: die (gewünschten) Güter haben feste Preise, über die jede Verhandlung von vornherein aussichtslos ist. Riesige Mengen für unseren Konsumenten sind gemessen am insgesamt gehandelten Volumen so bedeutungslos, dass seine Kaufentscheidungen sich in keiner Weise bemerkbar machen. Selbst wenn unser Konsument auf die Idee käme, seinen prospektiven Bedarf an Toilettenpapier für die nächsten zehn Jahre auf einen Schlag zu kaufen, wird es nicht zu einem Lieferengpass für Toilettenpapier kommen, der Preissteigerungen zur Folge hätte. In der Masse gehen die Entscheidungen unseres Konsumenten unter. Kämen aber plötzlich alle oder ein nicht unbedeutender Teil der Konsumenten auf die Idee, größere Mengen an Toilettenpapier zu bevorraten, dann wären selbstverständlich Auswirkungen zu spüren.
Auch von den Anbietern der Güter sei angenommen, dass sie in der "Masse der Anbieter" untergehen. Wenn sie isoliert den Preis für ihr Angebot heraufsetzen, können sie ihre Produktion nicht mehr verkaufen, da die Konsumenten die Güter unter den getroffenen Annahmen daraufhin bei der Konkurrenz kaufen würden (s. Jevons Gesetz). Vorausgesetzt sie könnten ihre Produktionskosten decken, wenn sie die Preise senken würden, könnten sie das ohne Weiteres tun. Aber warum sollten sie, wenn sie ihre Produktion auch zum höheren Marktpreis absetzen können? Die Anbieter werden also wie die Konsumenten infolge ihrer fehlenden Marktmacht keine Entscheidungen über Preise, sondern nur Entscheidungen über Mengen treffen, die sie kaufen oder herstellen wollen. Deswegen werden sie auch Mengenanpasser genannt. Wie für die Konsumenten gilt, dass die Entscheidungen eines einzelnen Anbieters für den Markt insgesamt bedeutungslos
Wenn wir den Markt durch eine Erdbeerpflanze ersetzen, können wir uns die Vorgehensweise an folgendem Bild deutlich machen: Mithilfe eines Gewächshauses halten wir alle Rahmenbedingungen wie Temperatur, Licht, Nährstoffe u. s. w. konstant. Experimentell variieren wir von Pflanze zu Pflanze die Wassermenge, mit der sie in regelmäßigen Abständen gegossen wird. Auf diese Art werden wir die optimale Wassermenge ermitteln können. Wenn die Erdbeeren nun unter freiem Himmel angepflanzt werden, wird die Wassermenge, die im kontrollierten Experiment optimal war, u. U. viel zu gering sein. Wir können dann überlegen, welche Rahmenbedingungen hier nicht mehr zutreffen und dafür verantwortlich sind. Immerhin wissen wir aber, dass und wie die Wassermenge das Pflanzenwachstum beeinflusst. Und evtl. hat unser kontrolliertes Experiment noch weitere Ergebnisse gezeigt, die sich unter freiem Himmel nutzbringend verwerten lassen.
Im mikroökonomischen Modell sind die Annahmen vergleichbar mit den konstant gehaltenen Rahmenbedingungen im Gewächshaus. Und auch hier werden wir prinzipielle Ergebnisse ableiten können, die sich auf die Realität übertragen lassen, auch wenn dort die Annahmen nur näherungsweise erfüllt sind.
Aber es ist auch gar nicht das Ziel, hier einen oder möglichst viele Märkte abzubilden. Wir nutzen den durch die Annahmen beschriebenen hypothetischen Markt vielmehr als Referenz. Die strengen Annahmen machen es uns möglich herauszufinden, wie dieser Markt funktionieren und welche Ergebnisse er hervorbringen würde. Anschließend können wir versuchen, die Erkenntnisse auf reale Märkte zu übertragen - dürfen dabei nur nicht außer Acht lassen, dass infolge nicht erfüllter Annahmen unter Umständen Korrekturen vorzunehmen sind (s. Kasten).
Schließlich sei daran erinnert, dass wir Interdependenzen zwischen den Märkten nicht berücksichtigen wollen. Dabei vertrauen wir darauf, dass die Rückwirkungen vergleichsweise schwach sind. Würden wir tatsächlich eine empirische Untersuchung durchführen, müssten wir uns vergewissern, dass das auch tatsächlich so ist.
Die wichtigste Annahme, von der wir regelmäßig ausgehen, betrifft die Entscheidungen der Akteure. Wir unterstellen ihnen rationales Verhalten. Alternativ könnten wir formulieren: Wir unterstellen ihnen ökonomisches Verhalten. Oder: Wir unterstellen ihnen vernunftbetontes Verhalten. Das impliziert nicht notwendig, dass die Akteure Egoisten im negativen Sinn sind. Auch wer altruistische Ziele verfolgt, kann sich rational verhalten. Dennoch macht man sich die mikroökonomischen Gedankengänge mitunter einfacher klar, wenn man die Akteure als selbstsüchtige, rücksichtslose Egoisten ohne Gewissen auffasst, die nichts als ihr eigenes Wohlergehen im Sinn haben. Da wir davon ausgehen, dass vollkommene Information herrscht, haben die Akteure keine Schwierigkeiten, rationale Entscheidungen zu treffen.
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