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Gesetz der Nachfrage II
2.2.1 Präferenzen und Nutzenfunktion
Der Grenznutzen

Unter den Präferenzen eines Menschen oder eines Haushalts versteht man seine Vorstellungen und Wünsche. Die Aussage "Ein Haushalt präferiert das Güterbündel $A$" bringt zum Ausdruck, dass der Haushalt das Güterbündel $A$ allen anderen zur Wahl stehenden Güterbündeln vorzieht.

Die mikroökonomische Theorie geht davon aus, dass die Haushalte in der Lage sind, sämtliche Güterbündel dahingehend zu bewerten,* ob sie besser, schlechter oder gleich gut wie ein anderes Güterbündel sind ( Vollständigkeitsannahme). Daneben nimmt sie an, dass die Wirtschaftssubjekte zu einer widerspruchsfreien Bewertung der Güterbündel in der Lage sind. Ein Beispiel, in dem das nicht der Fall ist, macht deutlich, was damit gemeint ist.

Ein Haushalt soll über die drei Güterbündel $A, B, C$ Urteile abgeben. Auf entsprechende Fragen gibt er folgende drei Antworten:

1. Ich finde $A$ besser als $B$.

2. Ich finde $B$ besser als $C$.

3. Ich finde $C$ besser als $A$.

Diese Einschätzung wird nicht als widerspruchsfrei akzeptiert. Nach den beiden ersten Aussagen hätte man erwartet, dass der Haushalt $C$ schlechter als $A$ einschätzt. Wenn er aber an seinen Antworten festhält, dann muss man das wohl oder übel hinnehmen und sich damit abfinden. Für diesen Haushalt könnte man dann allerdings auch nicht schließen, dass er ein Güterbündel $D$ einem Bündel $F$ vorzieht, wenn man zuvor beobachtet hatte, dass er Bündel $D$ Bündel $E$ und Bündel $E$ Bündel $F$ vorzieht. Kurz: Aus $D \succ E$ und $E \succ F$ kann man für diesen Haushalt nicht auf $D \succ F$ schließen, da man nicht von widerspruchsfreien Präferenzen ausgehen kann.

Widerspruchsfreie Präferenzen heißen transitiv. Die widersprüchlichen Präferenzen, die im Beispiel zu dem Zirkelschluss $A \succ B \succ C \succ A$ nennt man intransitiv. Wenn ein Haushalt intransitive Präferenzen hat, kann man seine Wahlhandlungen offensichtlich nicht prognostizieren.

Die Annahme transitiver Präferenzen ( Transitivitätsannahme) stellt sicher, dass sich Haushalte "schlüssig" verhalten. Wenn man die Güterbündel mit Buchstaben benennt, dann könnte die Präferenzordnung ( Präferenzen) eines Haushalts z. B. so aussehen:

$$C \succ D \succ G \sim H \sim P \succ Z \sim V \succ B{\rm{ }} \ldots \tag{1}$$

Dabei zeigt das geschweifte Größerzeichen ($\succ$) an, dass das jeweils links stehende Güterbündel genenüber dem rechts stehenden bevorzugt wird. Die Tilde ($\sim$) zeigt an, dass die beiden Güterbündel als gleichwertig eingeschätzt werden und dem Haushalt das eine als perfekter Ersatz für das andere dienen würde. Der Haushalt - so wird formuliert - wäre indifferent zwischen den beiden Güterbündeln. Für die Güterbündel $H$ und $V$ liegt kein direkter Vergleich vor. Wenn der Haushalt die freie Wahl zwischen $H$ und $V$ hätte, könnte aber aufgrund der Transitivitätsannahme auf eine Entscheidung für $H$ geschlossen werden.

Mit solchen Präferenzordnungen wie in (1) kann man zwar arbeiten, auf die Dauer erweist sich eine Liste wie (1) in der Handhabung jedoch als sehr umständlich. Glücklicherweise lässt sich eine Präferenzordnung jedoch mithilfe einer so genannten Nutzenfunktion abbilden, mit der wesentlich einfacher umzugehen ist.

Alternative Käse-
brötchen
Bier
$A$ 5 4
$B$ 4 5
$C$ 0 8
$D$ 1 8
$E$ 5 5
Tabelle 1

Um zu sehen, wie man aus einer Präferenzordnung eine Nutzenfunktion gewinnt, betrachten wir ein Beispiel, in dem wir die Präferenzen eines Haushalts kennen (weil wir ihn befragt oder beobachtet haben). Wir kennen nur einen Ausschnitt aus seiner Präferenzordnung, was für die Darstellung der prinzipiellen Vorgehensweise aber vollauf ausreicht. Der Haushalt hat die Wahl zwischen den fünf Alternativen $A, B, C, D$ und $E$ (s. Tab. 1).

Seine Präferenzordnung sei $E \succ A \sim B \succ D \succ C$. Wenn er sich frei entscheiden könnte, würde er also fünf Käsebrötchen und fünf Bier den vier anderen Alternativen vorziehen. Am wenigsten gefällt ihm Alternative $C$, die zwar viel Bier, aber keine Käsebrötchen enthält.

Anstelle von Bier und Käsebrötchen könnten wir irgendwelche anderen Güter betrachten. Wir könnten auch drei, vier, fünf oder mehr verschiedene Güter und auch mehr mögliche Alternativen betrachten. Die Beschränkung auf zwei Güter und fünf Alternativen erfolgt nur, um das Beispiel übersichtlich zu halten, und Käsebrötchen und Bier werden gewählt, weil man sie leichter unterscheiden kann als $X$ und $Y$.* Wir könnten ebenso einen anderen Haushalt betrachten, der über die fünf Alternativen andere Präferenzen hätte. So würde vielleicht für einen Haushalt, der gerne Bier trinkt, Alternative $D$ vor Alternative $E$ rangieren. Es ist also keineswegs so - das wird mitunter missverstanden - dass allen Haushalten identische Präferenzen unterstellt werden. Ganz im Gegenteil: die Mikroökonomen nehmen die Präferenzen der Haushalte als gegeben hin, wie immer sie auch aussehen mögen.

Alternative
Käsebröt-
chen ($K$)
Bier ($B$)
$U = K + B$
$A$
5
4
9
$B$
4
5
9
$C$
0
8
8
$D$
1
8
9
$E$
5
5
10
Tabelle 2

Nun wollen wir versuchen, die Präferenzordnung in einer Rechenvorschrift "einzufangen". Dabei soll die Rechenvorschrift natürlich möglichst unkompliziert sein - ein Postulat der Ökonomie - und anzeigen, wie der Haushalt die Käsebrötchen-Bier-Kombinationen beurteilt. Als erste Funktion probieren wir die einfache Addition der Käsebrötchen und Biere aus. Die Summe sei $U$:

$$\eqalign{ & U = {\rm{Zahl}}\_{\rm{der}}\_{\rm{K\ddot asebr\ddot otchen}}\;{\bf{plus}}\;{\rm{Zahl}}\_{\rm{der}}\_{\rm{Biere}} \cr & \left( {U = K + B} \right) \cr} \tag{2}$$

Wenn wir jetzt das Ergebnis U der Berechnung für die Reihung der Alternativen nutzen, finden wir

$$U\left( E \right) \succ U\left( A \right) \sim U\left( B \right) \sim U\left( D \right) \succ U\left( C \right) \tag{3}$$

Alternative $E$ steht mit einem Wert von 10 an erster Stelle, $C$ mit einem Wert von 8 an letzter. $A$ ist genau so gut wie $B$ - auch das stimmt mit der Präferenzordnung des Haushalts überein. Aber $A$ und $B$ sind nicht besser als $D$. Die Funktion $U = K + B$ eignet sich also nicht.

Als zweiten Versuch probieren wir

$$U{\rm{ }} = {\rm{ Zahl\_der\_K\ddot{a} sebr\ddot{o} tchen\;}}{\bf{mal}}\;{\rm{ Zahl\_der\_Biere}}\;\;\;\;\;{\rm{ }}\left( {{\rm{ }}U{\rm{ }} = {\rm{ }}K{\rm{ }} \cdot {\rm{ }}B{\rm{ }}} \right) \tag{4}$$

und erhalten

Alternative
Käsebröt-
chen ($K$)
Bier ($B$)
$U = K \cdot B$
$A$
5
4
20
$B$
4
5
20
$C$
0
8
0
$D$
1
8
8
$E$
5
5
25
Tabelle 3

Wenn wir die Alternativen wieder nach der Höhe der Ergebnisse reihen,

$$U\left( E \right) \succ U\left( A \right) \sim U\left( B \right) \succ U\left( D \right) \succ U\left( C \right) \tag{5}$$

stellen wir fest, dass die Reihung der Ergebnisse dieser Berechnung mit der Präferenzordnung des Haushalts übereinstimmt. Wer informiert ist, dass $U=K \cdot B$ die Präferenzordnung des Haushalts abbildet, weiß auch ohne Kenntnis der Präferenzordnung, dass der Haushalt das Güterbündel "5 Käsebrötchen, 5 Bier" dem Güterbündel "1 Käsebrötchen, 8 Bier" vorziehen würde.

Probe aufs Exempel

Sollten Sie das nicht glauben, machen Sie doch einfach die Probe aufs Exempel: Legen Sie einem ausgebildeten Ökonomen die Funktion $U=K \cdot B$ vor und fragen Sie ihn, ob der Haushalt 4 Käsebrötchen und 5 Bier der Alternative 5 Käsebrötchen und 4 Bier vorzieht.

Sie werden die Antwort erhalten, dass der Haushalt zwischen den beiden Alternativen indifferent ist (sonst haben Sie keinen ausgebildeten Ökonomen gefragt).

Funktionen, die Präferenzordnungen abbilden, heißen Nutzenfunktionen.

Es ist aber nicht Aufgabe der Ökonomen, solche Nutzenfunktionen ausfindig zu machen. Trotzdem können wir sinnvoll mit ihnen arbeiten, denn es ist bewiesen, dass sich jede Präferenzstruktur (die gewissen Anforderungen genügen muss, zu denen u. a. die Transitivität zählt) mit einer Nutzenfunktion abbilden lässt. Und wir gehen von gegebenen Wünschen (Präferenzen) der Wirtschaftssubjekte und damit gegebenen Nutzenfunktionen aus. Das heißt, die Nutzenfunktionen selbst bilden eher den Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Ihre Herleitung ist vergleichsweise unwichtig.

Dennoch müssen wir uns mit zwei wichtigen Eigenschaften von Nutzenfunktionen vertraut machen, die eng miteinander zusammenhängen.

1. Zu jeder Präferenzordnung gibt es unendlich viele Nutzenfunktionen.
2. Nutzenfunktionen messen keinen Nutzen.

Wenn die erste Behauptung richtig ist, dann muss sie ja auch für den oben betrachteten Haushalt mit der Nutzenfunktion $U=K \cdot B$ gelten. Um nur einige Beispiele zu nennen:

$${U_1} = a \cdot K \cdot B\;\;\;\;\;\;\;{\rm{mit}}\;\;\;\;a > 0 \tag{6}$$ $$U_2 = K \cdot B + 17,32 \tag{7}$$ $${U_3} = {\left( {K \cdot B} \right)^c}{\rm{ }}\;\;\;\;\;\;{\rm{mit}}\;\;\;\;c > 0 \tag{8}$$

Alle diese Funktionen erzeugen für die fünf alternativen Güterbündel eine Reihung der Ergebnisse, die mit der Präferenzordnung des Haushalts übereinstimmt. Tatsächlich lässt jede beliebige positive monotone Transformation der Nutzenfunktion die Ordnung, die durch sie erzeugt wird, intakt. Plastisch kann man sich das so vorstellen: Wenn man auf einem Gummiband mehrere Punkte markiert, dann kann man das Band an manchen Stellen stärker, an anderen schwächer dehnen - die Reihenfolge der Punkte auf dem Band ändert sich dadurch nicht.

Das erklärt eigentlich auch schon die zweite Aussage. Der absolute Wert, den die Nutzenfunktion liefert, hat keine Bedeutung. Wenn wir z. B. in (6) §a = 2§ setzen, würden wir jeweils den doppelten Wert unserer ursprünglichen Nutzenfunktion aus (4) erhalten. Die Nutzenfunktion bildet die Präferenzordnung ab, aber ihr Wert lässt sich nicht in "Nutzeneinheiten" interpretieren. Um dies deutlich zu machen, spricht man auch von ordinalen Nutzenfunktionen.

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