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Staatliche Eingriffe4.1.5.1 BesteuerungSteuerinzidenz
s soll zunächst nicht weiter interessieren, warum der Staat eine Steuer erhebt, sondern nur, wie sich die Einführung oder Veränderung einer Steuer auf einem Markt auswirkt. In Abbildung 1 zeigen die schwarzen Geraden A und N die Angebots- und Nachfragefunktion in einer Referenzsituation ohne Steuer mit der Gleichgewichtsmenge x* und dem Gleichgewichtspreis p*.
Nun sei angenommen, der Staat führe eine Mengensteuer in Höhe von t pro Einheit x ein. Steuerzahler seien die Anbieter, d.h. sie führen jedes Mal die Steuer t an den Staat ab, wenn sie ein x produzieren oder verkaufen. Weiter unten wird auch der Fall betrachtet, in dem die Nachfrager die Steuerzahler sind. Technisch ist es natürlich viel einfacher, wenn die Anbieter die Steuer abführen. Man denke nur an die Mineralölsteuer: Wie wollte man es realisieren, dass jeder einzelne Autofahrer die Mineralölsteuer an den Staat abführt? Da müsste ja an jeder Tankstelle ein Finanzbeamter sitzen oder die Autofahrer exakt über ihr Tankvolumen Buch führen.
Die Mineralölsteuer ist zugleich ein passendes Beispiel für eine Mengensteuer. Die Bemessungsgrundlage ist die Menge des Mineralöls, lt. MinÖStG §2(1) zur Zeit der Einführung 1160 DM je 1000 Liter, von denen 60 DM die 6 Pfennig Anhebung der Ökosteuer au 12 Pfennig pro Liter seit 01.01.2001 darstellen. Anschließen gab es noch drei weitere Stufen der "ökologischen Steuerreform" mit jeweiligen Erhöhungen um 6 Pfennig je Liter, sodass auf einen Liter Bezin (einer bestimmten Qualität) inzwischen allein 0,153 Euro (30 Pfennig) Ökosteuer kommen. Nach dem Energiesteuergesetz wird der Liter Benzin insgesamt mit 65, 45 Cent (Stand 11/2008) besteuert.
Von einer Mengensteuer zu unterscheiden wäre eine Wertsteuer (veraltet auch Ad-valorem-Steuer). Dazu zählen z.B. die Mehrwert- und die Einkommensteuer. Im Hinblick auf die grundsätzlichen Steuerwirkungen, die hier interessieren, ist die Unterscheidung in Mengen- und Wertsteuern aber nicht besonders wichtig, sodass im Folgenden ausschließlich die Mengensteuer betrachtet wird.
Nun wird also die Steuer in Höhe t pro x eingeführt. Das belastet die Produzenten mit zusätzlichen Kosten, nämlich Grenzkosten, genau in Höhe der Steuer $t$. Galt vor Einführung der Steuer
$$ \text{Kosten = Produktionskosten}\space\space\space\space\space \Bigl[ C(x) = f(x) \Bigr] \tag{1} $$so gilt nun
$$ \text{Kosten = Produktionskosten + Steuern}\space\space\space\space\space \Bigl[ C(x) = f(x) + tx \Bigr] \tag{2} $$Nach wie vor gilt natürlich die notwendige Bedingung "Preis = Grenzkosten" für Gewinnmaximierung bei vollkommener Konkurrenz:
$$ GK = f'(x) \tag{1a} $$ $$ GK = f'(x) +t \tag{2a} $$Die ursprünglichen Grenzkosten $f'(x)$ steigen also durch die Einführung der Steuer genau um den Steuerbetrag $t$ an. Die Grenzkostenfunktion ist (in ihrem aufsteigenden Ast beginnend im Betriebsminimum) die Angebotsfunktion des Unternehmens, die sich nun im Vergleich zur Situation ohne Steuern um t nach oben verlagert. Wenn sich die Angebotsfunktion jedes einzelnen Unternehmens um t nach oben verlagert, dann muss sich auch die Angebotsfunktion für den Markt insgesamt um $t$ nach oben verlagern, denn sie wird ja durch horizontale grafische Addition der individuellen Angebotsfunktionen gewonnen. Deswegen ist die Angebotsfunktion nach Steuern $A_t$ in Abbildung 1 genau um $t$ nach oben verschoben.
Das war nun zugegebenermaßen sehr technisch formuliert. Dasselbe Ergebnis konnte aber in Kapitel 1 im Abschnitt "Komparative Statik" mithilfe eines Beispiels auch ohne den Grenzkostenbegriff abgeleitet werden. Allerdings waren die Ausführungen dort auch wesentlich länger und umständlicher und eben nur auf ein Beispiel bezogen. Mit dem Ergebnis hier ist nun im Grundsatz bekannt, dass
Eine Plausibilitätsüberlegung lässt sich wie folgt anstellen: Was bedeutet denn eine nach oben verschobene Angebotsfunktion? Doch nichts anderes, als dass die Unternehmen bei gleichen Preisen weniger anzubieten wünschen. Die Einführung der Steuer stört die Optimalitätsbedingung "Preis=Grenzkosten". Also reduzieren die Unternehmen die Produktion, was die um die Steuer gestiegenen Grenzkosten wieder auf die Höhe des Preises sinken lässt. Den Preis können sie ja individuell bei vollkommener Konkurrenz nicht anheben, denn sie müssen sich als Mengenanpasser verhalten. So bleibt ihnen nur, die Produktion zu reduzieren, was infolge der hinreichenden Bedingung für die Gewinnmaximierung die Grenzkosten sinken lässt.
Ab welchem Betrag würden Sie die Dienstleistung anbieten, wenn Sie 50 Euro Steuer an den Staat abführen müssten?
Und schließlich lässt sich auch noch folgende Überlegung anstellen: Wenn die Unternehmen vor Einführung einer Steuer $t$ die Menge $x^*$ zum Preis $p^*$ angeboten haben, dann werden sie dieselbe Menge nach Einführung der Steuer nur dann anbieten wollen, wenn sie einen Preis in Höhe von $p^*+t$ pro Stück erlösen können. Also verlagert sich die Angebotsfunktion genau um den Betrag $t$ nach oben.
Auf der Nachfrageseite hat sich nichts verändert, sodass das neue Marktgleichgewicht bei der Menge $x_S$ und dem Preis $p_K$ gefunden wird. Vom Preis $p_K$, den die Konsumenten nun an die Anbieter zahlen, müssen Letztere die Steuer $t$ an den Staat abführen. Ihnen verbleibt somit pro $x$ ein Erlös in Höhe von $p_A$. Ein genauer Blick auf Abbildung 1 zeigt nun ein für viele Betrachter zunächst überraschendes Resultat. Der Preis, den die Anbieter erlösen, fällt durch die Steuer von $p^*$ auf $p_A$. Die Steuer entspricht aber der Differenz von $p_K$ und $p_A$. Die Anbieter zahlen die Steuer zwar zur Gänze, aber sie tragen sie nicht vollständig. Die Konsumenten zahlen mit $p_K$ ja nun auch einen höheren Preis als $p^*$. Also tragen auch sie einen Teil der Steuerlast.
Was hier passiert ist, kann man sich ungefähr wie folgt vorstellen: Durch die Steuer schränken einige Unternehmen die Produktion infolge der gestiegen Kosten ein; manche - die Grenzanbieter - können sich evtl. gar nicht mehr im Markt halten. Das Gut wird knapper. Die Konsumenten, deren Zahlungsbereitschaft nur knapp über dem bisherigen Preis lag, werden das Produkt nicht mehr erhalten. Nur wer bereit ist, etwas mehr zu zahlen, kommt noch zum Zuge.
Es lässt sich damit ein wichtiges Resultat festhalten:
Wir kommen darauf mit dem Stichwort "Steuerinzidenz" zurück.
Ein zweites wichtiges Resultat, das aber wohl jeder erwartet hätte und sich unmittelbar aus Abbildung 1 ablesen lässt, ist der Rückgang der gehandelten Menge von x* auf xS. Wie stark dieser Rückgang ausfällt, hängt von den Elastizitäten von Angebots- und Nachfragefunktion ab und mit der Inzidenzfrage eng zusammen.
Wie würde es sich auswirken, wenn anstelle der Anbieter die Nachfrager die Steuer zu entrichten hätten? Diese Frage lässt sich leicht beantworten, da sich die Nachfragefunktion in diesem Fall genau um den Betrag der Steuer nach untern verlagern würde. Der Grund dafür ist, dass es den Nachfragern letztendlich ja ganz egal ist, zu welchen Teilen der Preis, den sie für eine Produkteinheit zu entrichten haben, an den Anbieter und an den Staat geht. Wenn ich plane, für 10 Euro Kartoffeln zu kaufen, dann ist mir egal, ob 9 Euro an den Anbieter und 1 Euro an den Staat gehen oder ob es 8 Euro und 2 Euro sind. Wenn es mir nicht egal wäre - z.B. weil ich dem Anbieter die Einnahme gönne, dem Staat aber nicht - dann würde die Analyse komplizierter. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn ich der Meinung wäre, dass der Staat die Bürger ohnehin zu stark besteuert. Aber damit würde eine der grundsätzlichen Annahmen des Modells vollkommener Märkte aufgegeben, nämlich dass es keine persönlichen Präferenzen für oder gegen bestimmte Anbieter und Nachfrager gibt.
In Abbildung 2 zeigt die grüne Nachfragefunktion, welcher Preis nach Abzug der Steuer beim Anbieter "ankommt". Die gewünschte Nachfragemenge und die gewünschte Angebotsmenge stimmen damit bei xS überein, wenn sich ein Preis in Höhe von pK einstellt, von dem nach Abzug der Steuer noch pA für die Anbieter verbleibt.
Abbildung 3 zeigt Abbildung 1 und Abbildung 2 übereinander gelegt.
Um die Steuerwirkungen zu analysieren, kann man somit auf das Verschieben der Funktionen verzichten. Man muss lediglich jene Menge bestimmen, bei der der vertikale Abstand zwischen Angebots- und Nachfragefunktion genau der Höhe der Steuer entspricht (s. Abbildung 4). Man kann die Steuer deswegen als "Keil" bezeichnen, der zwischen Angebot und Nachfrage getrieben wird. Dies ist ein schönes Bild, denn es verdeutlicht, dass der Preis, den die Konsumenten entrichten, sich um die Steuer von dem Preis unterscheidet, den den Anbieter erhalten.
Je höher die Steuer bzw. je größer der Steuerkeil ist, desto weiter klaffen Angebot und Nachfrage auseinander. Wie Abbildung 5 zeigt, nimmt die Steuereinnahme mit steigenden Steuersätzen aber nicht notwendig zu.
Wenn Sie die animierte Darstellung in Abbildung 6 beobachten, können Sie erkennen, wie mit steigendem Steuersatz die Steuereinnahmen zunächst ansteigen und anschließend wieder sinken.
Trägt man den in Abbildung 6 beobachtbaren Zusammenhang zwischen der Höhe des Steuersatzes und der Höhe des Steueraufkommens in einem neuen Diagramm ab, erhält man die sog. Laffer-Kurve, die aber hauptsächlich als Argumentationshilfe im Bereich der Makroökonomie herangezogen wird. Sie soll verdeutlichen, dass Steuersenkungen die wirtschaftlichen Aktivitäten beflügeln und sich daher - je nachdem, wo man sich auf der Kurve befindet - mehr oder weniger selbst finanzieren. Bei Steuersätzen oberhalb tm wären Steuersenkungen natürlich dringend angezeigt.
Tabaksteuer
Der nebenstehende Kommentar von Carola Böse-Fischer aus den "Schaumburger Nachrichten" vom 11.2.04 liefert ein schönes praktisches Beispiel für die theoretischen Ausführungen in diesem Abschnitt:
- Die Wendung "Resistenz der Raucher" kann man mit "geringer direkter Preiselastizität der Nachfrage" übersetzen.
- Die Frage "Warum lohnt es sich, Zigaretten zu schmuggeln?" aus dem Abschnitt über Allokationsverluste durch Steuern erfährt indirekt eine Antwort.
- Dass der Finanzminister weniger Einnahmen aus der Tabaksteuer fürchten muss, kommt der Aussage gleich, dass sich der Markt im fallenden Bereich der Laffer-Kurve (rechts von tm in Abbildung 7) befindet.
Doch nicht so unelastich? n-tv.de meldet unter der Überschrift am 03.08.2004: "Raucher zahlen weniger Steuern"
- "Stolze 1,8 Milliarden Euro Mehreinnahmen hatte die Bundesregierung mit der jüngsten Erhöhung für den Staatshaushalt 2004 eingeplant. Geld, das das Gesundheitssystem entlasten sollte. Der erwartete Geldsegen wurde zwischenzeitlich behutsam reduziert - auf eine Milliarde Euro. Und jetzt das: Allein im zweiten Quartal sanken die Einnahmen bei der Tabaksteuer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 222 Millionen Euro. Statt eines Zugewinns muss der Fiskus damit ein Tabaksteuer-Minus von sechs Prozent verbuchen."
Übersetzt in die Sprache der Ökonomen: Die Nachfrage reagierte elastischer als von der Regierung erwartet.
Alcopops
Ein weiteres anschauliches Anwendungsbeispiel liefert das , das so genannte Alcopops (im Gesetz "Alkopops") ab dem 1. August 2004 mit einer Sondersteuer belegt. Ziel der Regierung ist eine Zurückdrängung des Konsums der süßlich schmeckenden Alkohol-Mixgetränke vor allem in der Gruppe junger Verbraucher. Das Gesetz ist kaum in Kraft getreten, da melden die Schaumburger Nachrichten: "Alcopops nicht mehr im Handel. Zu teuer: Märkte listen Mixgetränke aus. ... Bei einem Steueraufschlag von 84 Cent auf die 0,275-Liter-Flasche lohne sich das Geschäft mit den alkoholischen Mixgetränken nicht mehr, heißt es gleich lautend aus mehreren Handelszentralen." (SN, o.V., 03.08.2004). Hier hat die Regierung bewusst einen nahezu prohibitiven Steuersatz gewählt. Es geht ihr offensichtlich (ausnahmsweise?) ehrlich um die Gesundheit der Teenager und nicht eine Erhöhung um Steuereinnahmen, die laut §4 des Gesetzes der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufließen werden. "Gesetz zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums"
Ob und wieweit das gesundheitspolitische Ziel erreicht werden wird, hängt davon ab, wie schnell die Regierung die Schlupflöcher schließen wird, die das Gesetz lässt. Mixgetränke auf Wein- und Bierbasis verbietet es nämlich nicht. Und diese dürfen - im Unterschied zu den Alcopops - an 16jährige verkauft werden.
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